Warum haben wir eine so große Vorliebe für Babys?
Um diese zerrissene Emotion zu verstehen, müssen wir zuerst die Quelle der „Liebe“ analysieren.
1. Der biologische Instinkt des „Niedlichkeitsauslösers“
Die großen Augen, das runde Gesicht, die kleine Nase und der weiche Körper von Babys passen perfekt zu der „Niedlichkeitsreaktion“, die in der menschlichen Evolution entstanden ist. Psychologische Studien haben bestätigt, dass diese äußeren Merkmale das Belohnungssystem im Gehirn aktivieren, Dopamin und Oxytocin freisetzen und ein starkes Bedürfnis nach Schutz und Nähe hervorrufen. Dies ist ein tief in unseren Genen verankerter Überlebensmechanismus – um sicherzustellen, dass die Nachkommen betreut und fortgepflanzt werden.
2. Projektion der Hoffnung auf die Zukunft
Babys sind ein Symbol für das „Unvollendete“. Wenn wir sie ansehen, sehen wir nicht die gegenwärtige Hilflosigkeit, sondern die Möglichkeiten der Zukunft: Sie werden laufen, sprechen, zur Schule gehen, eine Familie gründen und ihre Träume verwirklichen. Wir projizieren unerfüllte Wünsche, den Ruhm der Familie und die Fortsetzung des Lebens auf dieses kleine Wesen. Babys zu lieben, bedeutet im Wesentlichen, das „zukünftige“ Ich zu lieben.
3. Aktive Wahl und emotionale Rückmeldung
Die Geburt ist eine aktive Wahl. Eltern empfangen ihr Kind in Erwartung und die Hingabe wird als „süße Last“ angesehen. Selbst wenn sie nachts nicht schlafen können und erschöpft sind, wird dies durch das Lächeln des Kindes, das erste „Mama“ und die Überraschung des wackelnden Laufens belohnt – diese unmittelbaren emotionalen Rückmeldungen geben der Hingabe Bedeutung.
Warum meiden wir hilflose ältere Menschen?
Wenn der Blick sich auf ältere Menschen richtet, kippt die emotionale Waage vollständig.
1. Die nackte Reflexion des Todes
Hilflose ältere Menschen sind ein Symbol für „Verfall“. Sie erinnern uns daran: Die Jugend wird vergehen, der Körper wird außer Kontrolle geraten, das Gedächtnis wird verschwinden und der Tod wird schließlich eintreten. Diese Angst, dem Tod ins Auge zu sehen, lässt uns instinktiv zurückweichen. Wie der Psychologe Irvin D. Yalom sagte: „Die Angst vor dem Tod ist die Wurzel aller menschlichen Ängste.“ Ältere Menschen abzulehnen, bedeutet in Wirklichkeit, das eigene, letztlich alternde Ich abzulehnen.
2. Der „unbelohnte Verbrauch“ der Langzeitpflege
Die Pflege hilfloser älterer Menschen ist oft eine passive Verantwortung. Sie bringt nicht die Freude, die „Meilensteine“ des Aufwachsens mit sich, sondern ist ein langsamer, sich wiederholender, endloser Verbrauchsprozess: Windeln wechseln, füttern, Stürze verhindern, mit emotionalen Ausbrüchen umgehen …
Noch grausamer ist, dass die emotionale Rückmeldung sehr gering oder sogar null ist. Die älteren Menschen erkennen dich möglicherweise nicht, können ihren Dank nicht ausdrücken und reagieren möglicherweise aufgrund von Schmerzen mit Wut auf dich. Dieser Zustand des „unbeantworteten Gebens“ kann leicht zu „Pflegekraft-Burnout“ führen und Groll hervorrufen.
3. Die „Nutzlosigkeitstheorie“ in einer utilitaristischen Gesellschaft
In einer modernen Gesellschaft, die Effizienz, Produktion und Konsum schätzt, wird der Wert des Menschen oft auf „Produktivität“ reduziert. Hilflose ältere Menschen können nicht arbeiten, müssen versorgt werden und werden mit dem Etikett „soziale Last“ versehen. Ihre Existenz stellt die Dschungelgesetze des „Überlebens der Stärkeren“ in Frage. Unbewusst fragen wir: „Was kann er noch für die Gesellschaft tun?“ Wenn die Antwort „nichts“ lautet, verblasst der Respekt leise.
4. Der Zerfall der Familienstruktur und emotionale Entfremdung
In traditionellen Großfamilien leben mehrere Generationen zusammen, und die älteren Menschen sind die „geistigen Säulen“ und „weisen Ältesten“ der Familie. Die moderne Kernfamilie, Einzelkinder und Fernarbeit haben jedoch die intergenerationalen emotionalen Bindungen geschwächt. Viele Kinder haben ohnehin schon wenig tiefgehende Kommunikation mit ihren Eltern, und wenn die älteren Menschen hilflos werden, wird die Pflege zur „Aufgabe“ und nicht zur „Familienliebe“.
Die Weisheit des Buddhismus – wenn die beiden Enden des Lebens gleichwertig betrachtet werden
Angesichts dieser Zerrissenheit können Technologie und Wirtschaft keine Antworten geben, aber alte Weisheit kann es. Der Buddhismus bietet uns einen klaren Spiegel, um das Wesen zu erkennen.
1. Bedingtheit: Die „Nicht-Ewigkeit“ der Vorliebe erkennen
Der Buddhismus sagt: „Wenn dies existiert, existiert jenes; wenn dies entsteht, entsteht jenes.“ Unsere Liebe zu Babys und unser Hass auf ältere Menschen sind nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis unzähliger Bedingungen (biologischer Instinkt, gesellschaftliche Vorstellungen, persönliche Ängste). Wenn wir dies erkennen, wissen wir, dass diese Emotion verändert werden kann. Sie ist keine „Wahrheit“, sondern ein Produkt der „Unwissenheit“.
2. Vergänglichkeit: Die Anhaftung an die „Jugend“ auflösen
Als der Buddha zum ersten Mal das Kloster verließ, erkannte er die vier Tore von „Geburt, Alter, Krankheit und Tod“. Er lehrte uns: Jugend, Gesundheit und Kontrolle sind wie der Morgentau, der im Handumdrehen vergeht. Die Abneigung gegen ältere Menschen ist in Wirklichkeit die Unfähigkeit, die Wahrheit der „Vergänglichkeit“ zu akzeptieren. Wenn wir wahrhaftig erkennen: „Ich werde auch alt, ich werde auch krank, ich werde auch hilflos“, wird das abweisende Herz weicher. Wahre Tapferkeit besteht nicht darin, das Altern abzulehnen, sondern darin, im Alter Würde und Mitgefühl zu bewahren.
3. Mitgefühl: Über die Unterscheidung hinaus „großes Mitgefühl“
Das Mitgefühl im Buddhismus ist der tief empfundene Wunsch, allen Lebewesen „Leid zu befreien“. Es unterscheidet nicht zwischen Objekten: Das Weinen eines Babys und das Keuchen eines älteren Menschen sind im Wesentlichen Ausdrücke von „Leid“.
Die Mahayana-Schrift „Brahma-Netz-Sutra“ sagt: „Alle Männer sind mein Vater, alle Frauen sind meine Mutter.“ Aus der Perspektive unendlichen Lebens könnte dieser hilflose ältere Mensch, der vor uns steht, vielleicht vor hundert Leben unsere leiblichen Eltern gewesen sein. Mit einem solchen Herzen zu sehen, wie könnte man da Abneigung empfinden?
Wahre Zivilisation zeigt sich nicht darin, wie man neues Leben begrüßt, sondern darin, wie man sanft das alte Leben verabschiedet.
4. Dankbarkeit: Filialpflicht ist Praxis
Der chinesische Buddhismus betont besonders die „Filialpflicht“. In der „Sutra über die unermessliche Dankbarkeit der Eltern“ zählt der Buddha die zehn großen Wohltaten der Eltern auf und kommt zu dem Schluss: „Selbst wenn jemand die linke Schulter mit dem Vater und die rechte Schulter mit der Mutter belädt, die Haut bis zum Knochen reibt und das Mark bis zum Knochen durchbohrt, um den Meru-Berg zu umrunden, über Hunderte und Tausende von Äonen, während das Blut bis zu den Knöcheln fließt, kann er dennoch die tiefen Wohltaten der Eltern nicht zurückzahlen.“
Die Pflege alter, hilfloser Eltern ist keine „Last“, sondern eine hervorragende Praxis, um alte Schulden zurückzuzahlen und Verdienste anzusammeln. Die Palliativpflege ist sogar „Angstfreiheit“ – das letzte Maß an Frieden und Würde im Leben zu geben, ist unermesslich verdienstvoll.
Was verlieren wir gerade?
Die Einstellung zu hilflosen älteren Menschen ist das höchste Thermometer für den zivilisatorischen Grad einer Gesellschaft.
Wir haben die kulturelle Grundlage des „Respekts vor älteren Menschen“ verloren
In der traditionellen Gesellschaft bedeutet „alt“ Weisheit, Erfahrung und Tugend. Heute wird „alt“ oft mit „veraltet“, „nutzlos“ und „lästig“ assoziiert. Wenn „996“ und „Involution“ zum Glauben werden, wer hat dann noch Geduld, den älteren Menschen von „früher“ zuzuhören?
Wir haben die Sichtweise des „ganzheitlichen Lebens“ verloren
Wir lieben nur den „potenziellen“ Teil der Babys und verachten nur den „wertlosen“ Teil der älteren Menschen. Wir vergessen: Der Wert des Lebens liegt nicht darin, „was man tun kann“, sondern im „Sein selbst“. Ein Atemzug, ein Herzschlag, eine Erinnerung sind alles Zeugnisse des Wunders des Universums.
Wir schaffen gerade die Tragödie des „einsamen Todes“
In Japan sterben jedes Jahr zehntausende ältere Menschen einen „einsamen Tod“, der erst Tage nach ihrem Tod entdeckt wird. In China gibt es über 130 Millionen „leere Nester“. Wenn die Gesellschaft kollektiv das Altern und den Tod meidet, wird die Einsamkeit des Individuums zu einer systemischen Tragödie.
Wir bestrafen gerade unser zukünftiges Ich
Der ältere Mensch, den du heute ablehnst, ist das Ich von gestern; wie du heute mit älteren Menschen umgehst, so werden andere morgen mit dir umgehen. Gleichgültigkeit wird sich wiederholen.
Drei Veränderungen, die im Herzen beginnen
Dies ist kein Artikel der Anklage, sondern ein Weckruf. Veränderung kann bei jedem Einzelnen beginnen:
1. Ändere die „Perspektive“: Übe die „Gleichwertigkeit“
Wenn du das nächste Mal einen hilflosen älteren Menschen siehst, versuche, innerlich zu murmeln:
„Er/Sie war auch einmal ein geliebtes Baby,
hatte auch eine blühende Jugend und Träume,
war auch einmal Elternteil und gab alles,
jetzt ist er/sie einfach am anderen Ende des Lebens angekommen.
Wenn das ich wäre, wie würde ich mir wünschen, behandelt zu werden?“
2. Ändere die „Sprache“: Stoppe die „Lasten-Theorie“
Weigere dich zu sagen: „Ältere Menschen sind eine Last für die Gesellschaft“. Ändere es zu:
„Sie sind unsere Wurzeln, lebendige Zeugen der Geschichte, Träger der Liebe. Ihre Pflege ist die Verantwortung der Zivilisation und der Prüfstein der Menschlichkeit.“
Sie zu betreuen, ist die Verantwortung der Zivilisation, ist der Prüfstein der Menschlichkeit.
3. Ändern Sie die „Aktion“: Beteiligen Sie sich an der „Palliativpflege“
Egal, ob es sich um die eigenen Eltern oder um fremde alte Menschen im Pflegeheim handelt:
Einmal mehr geduldig zuhören (auch wenn er/sie es zehnmal wiederholt);
Einmal mehr sanft berühren (Händedrücken, Rücken klopfen);
Einmal mehr still begleiten (nicht am Handy sein, einfach nur da sein);
Unterstützen Sie die Palliativpflege, damit das Leben würdevoll zu Ende geht.
Schluss: Zurück zu dem Baby
Lassen Sie uns zu dem Baby am Anfang zurückkehren.
Es/Er schläft tief und fest, atmet gleichmäßig, die kleinen Hände sind leicht gekrümmt.
In den kommenden Jahrzehnten wird es/er Wachstum, Kämpfe, Liebe und Schmerz, Erfolg und Misserfolg erleben …
Schließlich wird es/er auch dem Alter, der Hilflosigkeit und dem Ende des Lebens entgegensehen.
An diesem Tag wird es/er am meisten brauchen, nicht effiziente Pflege, nicht teure Medikamente, sondern ein paar sanfte Augen, ein geduldiges Ohr, ein leises: „Hab keine Angst, ich bin hier.“
Das ist es, was wir heute jedem hilflosen alten Menschen geben sollten —
und auch in Zukunft, was wir uns wünschen, wie die Welt uns behandeln soll,
die letzte Sanftheit.